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Einsatz in Einsatz

2011-10-21

Wo liegt denn eigentlich Einsatz? Wussten Sie auch nicht? Da sind sie nicht alleine. Nicht mal Google Maps kennt die Stadt. Oder die Region. Oder das Land.

Was eigentlich ja ein Skandal ist. Denn da muss es ganz schön schlimm zugegangen sein, in Einsatz. So schlimm, dass sich sogar die NATO drum gekümmert hat. In einer super-geheimen Aktion. Denn sonst hätte ja die Tagesschau drüber berichtet. Oder wenigstens die eine oder andere Zeitung oder ein Online-Medium. Oder doch immerhin die ganzen VT-Blogs hier im Netz.

Screenshot 2011-10-21 Fr 18:00 (http://www.general-anzeiger-bonn.de/index.php?k=news&itemid=10005&detailid=953918)

Investigativer Journalismus: Der Bonner General-Anzeiger berichtet über das Ende eines NATO-Einsatzes. Außerhalb von Bonn wusste man noch nicht mal, dass die NATO überhaupt dort eingerückt war. (Screenshot)

Aber diesmal hat die Geheimhaltung funktioniert. Fast. Denn der Bonner General-Anzeiger hat es am Ende doch herausgefunden. Jetzt ist der Einsatz in Einsatz allerdings schon vorbei. Es herrschen wieder Ruhe und Ordnung. Und wir wissen immer noch nicht, wo Einsatz eigentlich liegt. Und ob es da Öl gibt.

Update: Berliner Morgenpost, die Märkische Allgemeine, die Pforzheimer, der Stern und die Süddeutsche, in alphabetischer Reihenfolge, berichten jetzt auch. Leider liefert keine der Sites eine Karte mit. Ich weiß also immer noch nicht, wo Einsatz liegt.

Die Online-Ausgabe des General-Anzeigers hat dagegen die Meldung wieder vom Netz genommen. Ob ihnen da jemand vom NATO-Hauptquartier auf die Finger geklopft hat?

Ahmadinejad ist schuld

2009-08-24

Warum ich Pirat bin – die Frage hat man mir in den letzten Wochen etliche Male gestellt. Mal im Gespräch mit Freunden („Was hat dich denn gebissen, dass du plötzlich so politisch bist?“), mal mit einem richtig dicken, fellbehängten ARD-Mikro (und jetzt ohne Vorbereitung und Schminke und ganz spontan in zehn Sekunden was Fernsehgerechtes formulieren, möglichst ohne „Äh“s und mit einer festen, engagierten, aber auf jeden Fall sympathischen Stimme – eine gute Übung …)

Antworten darauf gibt’s eine ganze Menge. Dass unsere Regierung Schritt für Schritt Freiheitsrechte beschneidet und Überwachungsmechanismen installiert, auf die ein Mielke stolz gewesen wäre. Dass Unternehmen dem schlechten Beispiel folgen und ihre Mitarbeiter, Kunden, Besucher auf eine Art bespitzeln und durchleuchten, die „widerwärtig“ zu nennen noch untertrieben wäre. Dass eine Ministerin nur „Kinderporno“ schreien muss, damit Grundrechte, die über Jahrzehnte unantastbar waren, einfach abgeschafft werden, eine Zensur eingeführt wird und das Parlament das Ganze mit überwältigender Mehrheit durchwinkt. Dass die vier Reiter der Infokalypse (Terror, Kinderporno, Drogenhändler, Raubkopierer) als Rechtfertigung noch jeder Gängelung und Bespitzelung herhalten müssen. Dass eine Gruppe im BKA, die nicht demokratisch kontrolliert wird, eine geheime Liste nicht genehmer Seiten erstellt, die ebenfalls nicht demokratisch kontrolliert wird – und wer in die Falle tappt, gegen den kann strafrechtlich ermittelt werden, mit Hausdurchsuchung, Beschlagnahme, Verlust von Arbeitsplatz, Wohnung, Beziehung. Dass die große Koalition, voran Innenminister Schäuble, ein Klima der Angst, Verdächtigung und Rechtsunsicherheit schürt, das die Menschen nicht nur daran hindert, ihre Meinung zu äußern („Lieber nichts sagen, wenn ich meinen Job behalten will“), sondern schon daran, sich überhaupt zu informieren („Lieber nicht klicken, es könnte ja ein Stopp-Schild lauern“).

Dass Politik, wie sie sich heute in Deutschland gebärdet, gar keine erkennbaren Ziele mehr hat oder auch nur breit diskutiert würde – sondern nur noch verwaltet (meist im Interesse der Großkonzerne) und dabei nicht bereit ist, Eigenverantwortung zu übernehmen, sondern sich auf „Befehlsnotstand“ aus Brüssel beruft (ja wer zum Teufel hat denn die ganzen Kommissare nach Brüssel geschickt?). Damit ich recht verstanden werde: Ich bin mit Herz und Hirn Europäer. Aber damit Europa akzeptiert wird, muss es demokratisch funktionieren – und das tut es im Moment einfach nicht. Dass laut über eine Halbierung der Hartz-IV-Sätze nachgedacht wird, gleichzeitig aber die Banken, die ja wohl hauptverantwortlich für die momentane Wirtschaftskrise sind, als Belohnung für Gier und Unfähigkeit über 500 Milliarden an Steuergeldern allein in Deutschland erhalten, und mit diesem Geld fröhlich weiter spekulieren, statt es in die produktive Wirtschaft weiterzuleiten – und die Verträge, die diesen Geldsegen festlegen, vor dem normalen Bürger geheim gehalten werden: Dass in Zukunft anders gewirtschaftet würde, ist unter diesen Bedingungen kaum zu befürchten.

Dass das Internet zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte die Möglichkeit geschaffen hat, alle an Kultur, Bildung und Information teilhaben zu lassen – aber Regierende und Content-Industrie alles tun, um diese digitalen Güter künstlich knapp zu halten und einen Großteil der Nutzer zu kriminalisieren. Dass die digitale Verteilung der Kultur aber einfach nicht mehr gestoppt werden kann, es sei denn um den Preis massiver Überwachung und Einschränkung jedes Bürgers (aber vielleicht ist ja gerade das gewollt, siehe oben).

Dass Demos wenig bewirken und Online-Petitionen (wie das gegen die Internet-Zensur) vom Parlament schlicht ignoriert werden, selbst wenn über 130.000 Bürger unterzeichnen. Dass es deshalb eine Partei wie die Piraten braucht, die die Spielregeln des parlamentarischen Systems nutzt, um dieses System zu verändern – oder besser gesagt, nicht so sehr zu verändern als mehr auf die doch sehr brauchbare grundgesetzliche Grundlage zurückzuführen.

Und dass es in einer noch recht kleinen Partei mit dafür sehr engagierten und überwiegend sehr kompetenten Leuten einfach mehr Spaß macht, politisch zu arbeiten, und mehr Erfolgserlebnisse verschafft, als wenn ich mich z. B. in einen grünen, linken oder sozialdemokratischen Ortsverein setzen würde (die anderen beiden kämen für mich eh nicht in Frage).

Das alles sind gute Gründe, Pirat zu werden. Aber den Anstoß hat mir ein anderer gegeben – nämlich der iranische Schon-wieder-Präsident, Antisemit, Holocaust-Leugner und Atombombenbastler Ahmadinejad – der ja u. a. ganz gern mal mit deutscher Überwachungstechnologie beliefert wird, sozusagen als Crash-Test-Dummy – bzw. die Vorgänge um seine „Wiederwahl“.

In diesen Wochen, als für kurze Zeit die Hoffnung aufkeimte auf einen demokratischen Umschwung im Iran, der weder von den Mullahs noch von der CIA gesteuert würde, sind mir nämlich drei Dinge klar geworden:

  • Was auch in Mitteleuropa möglich ist, wenn es den Herrschenden gelingt, Wahlen und demokratische Entscheidungen unüberprüfbar zu machen. Nicht dass ich Schäuble und Konsorten schon für ausgemachte Demokratiefeinde hielte: Aber welches Scheunentor sie aufmachen mit ihrer allumfassenden Kontrolle der Bürger und den damit einher gehenden Möglichkeiten der Manipulation, werden sie wohl erst begreifen, wenn es für uns alle zu spät ist. Die „Schere im Kopf“ hat dann genau die mundtot gemacht, deren Meinung wir dringend hören müssten.
  • Dass das Internet viel mehr ist als eine Spielwiese für technikverliebte Männer und exhibitionistische Zeitgenossen. Dass es das erste Medium ist, wo weder wirtschaftliche noch politische Macht entscheidend ist (obwohl es hilft), sondern vor allem Inhalt und Glaubwürdigkeit. Und dass genau diese Offenheit geschützt werden muss.
  • Wie wichtig es sein kann, anonym seine Meinung äußern zu können, besonders in Zeiten der Unterdrückung. Wer damit rechnen muss, dass nachts die Basiji die Tür eintreten, möchte vielleicht lieber seinen Namen nicht nennen. Und wer, wie hierzulande, damit rechnen muss, dass all seine Kontakte, Bewegungsprofile, Krankheiten, Kontenbewegungen, angeklickten Websites etc. gespeichert werden, lieber auch nicht – allein schon, um die Menschen zu schützen, die ihm lieb sind.

Also: Danke, Mahmud, alter Folterfreund. Du hast meinen Entschluss beschleunigt. Vielleicht gibt ja es einmal eine Gelegenheit, uns zu revanchieren. Grün ist gar nicht so weit weg von orange. Und das mag schneller gehen, als du denkst.