Archive for the 'Überwachung' Category

Staatstrojaner goes 2.0

2011-10-19

(Das trojanische Oktoberfest, Teil 3)

Den Staatstrojaner gibt’s jetzt auch für Windows mit 64 bit. Das will zumindest Kaspersky herausgefunden haben, wie Heise meldet. Nicht wirklich überraschend, auch nicht, dass BMI und BKA das nicht gleich zugegeben haben, als der erste Staatstrojaner aufflog. Wir kennen diese Salamitaktik aus anderen Skandalen: Am Ende ist der Schaden viel größer, als wenn man gleich klar Schiff gemacht hätte. Aber da sind unsere Überwachungsbehörden ja lernresistent.

Mal angenommen, Kaspersky produziert nicht nur heiße Luft (was bei dem Renommee des Unternehmens unwahrscheinlich ist): Der CCC hatte ja schon angedeutet, dass für einen 64-bit-Trojaner der Zertifikatsspeicher kompromittiert werden müsste. Das hat DigiTask (oder wer immer den neuen Trojaner geschrieben hat) jetzt offenbar geschafft.

Und dazu braucht es allerdings schon eine Menge krimineller Energie. Es ist auch relativ egal, ob das so beauftragt wurde oder behördlicherseits der Auftrag lediglich lautete: Hebelt die Bordsicherheit aus, ohne Rücksicht auf Verluste. In beiden Fällen ist es ein Indiz dafür, dass wir es inzwischen in Deutschland mit Überwachungsstrukturen zu tun haben, die sich weder um Grundrechte noch um Folgeschäden auch nur einen Pfifferling scheren.

Stopp. Ändern. Schnellstmöglich. „Sicherheitsrelevante“ Ministerien und Behörden müssen in Kontrolle genommen werden — und soweit irgendwie verantwortbar, in öffentliche Kontrolle.

Und der Osterhase

Heute tagte übrigens der Rechtsausschuss des Bundestages zu dem Thema, anschließend gab’s eine aktuelle Fragestunde, in der sich unter anderem der Grünen-Abgeordnete Jerzy Montag sehr ins Zeug gelegt hat. (Protokolle gibt’s noch nicht, dürften aber bald auf der Bundestags-Site abrufbar sein [1].) Finanz-, Innen- und Justizministerium waren gefragt. Antwort, zusammengefasst: Wir haben zwar nicht mal den Quelltext bekommen, aber sind uns ganz sicher, dass der Trojaner nichts Ungesetzliches macht. Und DigiTask liefert auch nur das, was wir beauftragt haben. Das können wir überprüfen.

Wie bitte? Ohne Quelltext? Also ausschließlich mit Reverse Engeneering? Aber dann ein externes Unternehmen mit dem Trojaner beauftragen? Und den Osterhasen gibt’s auch?

Wir wissen nicht, was wir tun, aber das mit voller Kraft

Vor einer Woche wusste unsere Bundesjustizministerin noch nicht einmal, ob es einen Staatstrojaner überhaupt gibt. Angenommen, das war keine Lüge (und ich halte Frau Leutheusser-Schnarrenberger immer noch für einigermaßen glaubwürdig): Dann leben wir in einem Staat, wo Ministerien und Kriminalämter fröhlich verfassungswidrige Überwachungssoftware erstellen und einsetzen lassen und es nicht mal für nötig halten, die zuständige Ministerin zu informieren.

Was für ein Laden ist das bitte, der uns regiert?

Die Linken-Abgeordnete Halina Wawzyniak hat sich die Mühe gemacht, aus dem Rechtsausschuss zu bloggen (danke an Fefe für den Link). Ich zitiere mal:

Wir schränken Bürgerrechte ein, wissen aber gar nicht wie weit die Einschränkung wirklich geht und auf welcher Rechtsgrundlage.

Gut gesagt.

Was kann der Staatstrojaner eigentlich?

Was bei dem ganzen Durcheinander gern mal verloren geht: Was kann der Staatstrojaner eigentlich? Das hat schon vor ein paar Tagen Alexander Svensson in einem YouTube-Video in dreieinhalb Minuten zusammen gefasst. Bezieht sich auf Version 1.0 des Trojaners (den, den der CCC analysiert hat), und die Beweisfälschung kommt mir etwas zu kurz. Aber sehr schön und verständlich gemacht.

[1] Update 2011-10-20: Verlassen Sie sich aber nicht zu sehr auf die Protokolle. Die werden nämlich zensiert, auf Wunsch des Abgeordneten. Herrn Uhl ist zum Beispiel eingefallen, dass er sich schon ein wenig verplappert hatte, als er zugab, dass dieses Land von Sicherheitsbeamten regiert wird. Zu spät allerdings. Internet: It works, bitches.

Wir haben alle gelacht

2011-10-18

(Das trojanische Oktoberfest, Teil 2)

Wir haben alle gelacht, aber jetzt ist auch mal wieder gut. Der Staatstrojaner ist mittlerweile aus den Schlagzeilen verschwunden. Da ihn inzwischen alle Virenscanner erkennen dürften, muss DigiTask, oder ein anderes Unternehmen, wohl einen neuen schreiben. Vermutlich profitieren die Programmierer auch von der Gratis-Qualitätssicherung des CCC und merzen die übelsten Schwachstellen aus.

Legal, illegal, scheißegal

Also alles bestens, Demokratie funktioniert, und selbst unsere Überwacher lernen aus ihren Fehlern? Ja, Pfeifendeckel. Denn der wirkliche Skandal ist ja nicht einmal, dass 13 Millionen Euro Steuergelder für eine geradezu peinlich schlechte Software ausgegeben wurden. Sondern, dass diese Software zu 90 % genau das tut, was das Bundesverfassungsgericht explizit verboten hat. Dass ihr Einsatz unsere Grundrechte aushebelt — und Grundrechte sind nicht verhandelbar. (Und sie gelten für alle, nicht nur für die, die „nichts zu verbergen“ haben.) Und dass Bundes- und Landesinnenministerien und -kriminalämter offenbar wild entschlossen sind, diese Grundrechte weiter gepflegt zu ignorieren. Flächendeckend.

Weil, die kriegen ja nicht die Gesetze, die sie gern hätten, um das Grundgesetz weiter zu durchlöchern. Oder, um Pofalla zu zitieren, man solle sie doch mit so einer Scheiße in Ruhe lassen.

Öffentliches Interesse

Die Piratenpartei Bayern hat jetzt Strafanzeige gegen den bayrischen Innenminister Herrmann, LKA-Präsident Dathe und Konsorten erstattet. Wenn Politiker aktiv gegen unsere verfassungsmäßigen Rechte vorgehen, ist das ein Antragsdelikt — das heißt, die Staatsanwaltschaft ermittelt nur, wenn man ihr auf die Füße tritt. Und dann auch nur, wenn ein öffentliches Interesse vorliegt — sofern nicht der Geschädigte selbst klagt (was er vermutlich aus guten Gründen nicht tun wird).

Ob auch Politiker sich an die Menschenrechte zu halten haben, ist eine Frage, die durchaus öffentliches Interesse verdient. Ich bin mal gespannt, ob die Staatsanwaltschaft — die ja weisungsgebunden und per Definition eine politische Behörde ist — das auch so sieht.

Das trojanische Oktoberfest

2011-10-10
Oktoberfest rides in slightly stormy weather

© moarplease (CC) (1)

Der Skandal, den der CCC mit der Entschlüsselung und Veröffentlichung des Staatstrojaners ausgelöst hat, verspricht ganz großes Kino zu werden. Das ist zunächst einmal nicht schlecht: Es zeigt, dass die Öffentlichkeit und die Medien inzwischen sensibilisiert sind, wenn es um Überwachung geht. Wie immer, wenn ein Thema in den Fokus gerät, hätte man gern schnelle Lösungen. Nur, wer soll die liefern — der gleiche Staat, der augenscheinlich den Trojaner in Auftrag gegeben hat? Reaktionen von Politikern taugen daher auch eher als Stimmungsbild, als dass man tatsächlich Konsequenzen erwarten dürfte. Und nicht zuletzt sind einige Details noch alles andere als klar:

  • Wer hat den Staatstrojaner in Auftrag gegeben?
  • Wer von den politischen Verantwortlichen wusste Bescheid, in welchem Umfang?
  • Wo wurde der Trojaner bisher eingesetzt, in wie vielen Fällen?
  • Wer gab den Befehl für den Einsatz?
  • Gibt es noch weitere (verbesserte?) Versionen des Trojaners?

Fefes Aufforderung an die Piraten, „mal kräftig auf die Kacke zu hauen“, ist verständlich, hilft aber im Moment nicht weiter. Dass Friedrich und Schäuble ihre Finger im schmutzigen Spiel hatten, ist wahrscheinlich — aber noch nicht bewiesen. Auch hier gilt erst einmal die Unschuldsvermutung. Und gönnen wir uns doch das Vergnügen, die Verantwortlichen sich immer weiter in Widersprüche verwickeln zu lassen. Untersuchungshaft ist in diesem Fall nicht angebracht. Diese Beweise lassen sich so leicht nicht mehr aus der Welt schaffen.

Sagen was wahr ist

Was allerdings schon mehr als deutlich ist und sich auch nicht mehr leugnen lässt: Der Staatstrojaner

  • überschreitet bei weitem den Rahmen der gesetzlich legitimierten Überwachung,
  • ist so schlampig programmiert, dass die Frage nahe liegt, ob das nicht schon Absicht ist,
  • macht jedes Rechtsverfahren, das sich auf die durch den Trojaner erhobenen „Beweise“ stützt, zu einer Farce.

Updates

(1) Original auf Flickr. Lizenz: CC by-nc-nd 2.0

Dem lieben Gott sein Personal

2009-09-12

Der liebe Gott [1], so hat man mir als Kind erzählt, sieht alles. Dazu braucht er weder Video-Überwachung noch Bundes-Trojaner. Seinem Personal dagegen scheint die Privatsphäre wichtiger zu sein. Meint jedenfalls Ralf Bendrath auf netzpolitik.org:

Wie wir mittlerweile seit drei Jahren wissen, ist Petrus Datenschützer. Oder wie Markus auch immer sagt: Irgendein Hacker hat da ein Script gebaut, das bei unseren Demos die Regenwolken vertreibt.

Das Wetter

Kurz nachgeprüft auf wetter.com: Zur Freiheit-statt-Angst-Demo heute (Sa. 2009-09-12 um 15:00 Uhr, ab Potsdamer Platz) wird es zwar wolkig und um 19 °C warm sein, dafür liegt das Regenrisiko gerade mal um die 20 %.

Dieses Risiko nimmt man doch gern auf sich.

Zumal … hatte ich mal geschrieben, „dass Demos wenig bewirken“? Freilich. Meistens. Es gibt allerdings auch Demonstrationen, die Zeichen setzen. Wie die am 22. Oktober 1983 im Bonner Hofgarten: Zwischen 250.000 und 500.000 Menschen demonstrierten damals gegen den NATO-Doppelbeschluss, deutschlandweit über eine Million. Zwar verhinderte sie weder den NATO-Doppelbeschluss noch das erneute atomare Wettrüsten der 80er Jahre, aber sie etablierte die Friedensbewegung endgültig als politische Kraft in Deutschland. Vermutlich wäre ohne sie Rot-Grün niemals zu Stande gekommen, jedenfalls nicht schon 1998. (Dass ausgerechnet Rot-Grün dann den ersten Militäreinsatz bundesdeutscher Truppen beschloss, beweist wieder, welch kruden Humor der Weltgeist öfters mal zeigt.)

Kritische Masse

Eine halbe Million Teilnehmer wird die Freiheit-statt-Angst-Demonstration wahrscheinlich nicht versammeln. 100.000 ist realistischer. Das wäre, nur auf die Berliner Gesamtbevölkerung gerechnet, nicht einmal besonders viel: Jeder 30. etwa. Aber diese 100.000 bilden bereits eine kritische Masse, die sich von den Medien jetzt nicht mehr ignorieren lässt (wie noch Ende 2007 bei den Aktionen gegen die Vorratsdatenspeicherung). Es wäre nicht der Startschuss für eine lang überfällige Bürgerrechtsbewegung – die gibt es bereits, seit Jahren, als mehr oder weniger lockerer Verbund verschiedener Organisationen im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, als Partei in den Piraten. Aber es wäre – es wird – der Moment, in dem diese Bewegung für alle sichtbar wird, in dem sie zeigt: Wir sind zu viele, um uns noch lächerlich zu machen, kleinreden, kriminalisieren zu lassen. Man kommt an uns nicht mehr vorbei. Die Themen, die Positionen, für die wir stehen, sind zu wichtig geworden, als dass sich die etablierten Mächte noch mit Worthülsen daran vorbei mogeln könnten.

Manchen, bei aller fraglichen Kompetenz in der Sache, dämmert das bereits. Ministerin Zypries zum Beispiel, die sich ein ganzes Interview lang in der taz fast ausschließlich mit der Piratenpartei beschäftigt. Dass sie kein gutes Haar an der politischen Konkurrenz lässt – geschenkt, es ist Wahlkampf. Dass sie freilich offenbar auch nicht einmal in das Programm der Piraten geschaut hat – könnte es daran liegen, dass sie dazu einen Browser bedienen müsste?

[1] Welche Geschmacksrichtung man für seinen Gott bevorzugt, überlasse ich als bekennender Agnostiker natürlich jedem (jeder) selbst. Die Kirche des fliegenden Spaghettimonsters zeichnet sich gegenüber allen anderen Glaubensgemeinschaften der Religionsgeschichte freilich dadurch aus, dass sie als einzige eine Lösung für das drängende Problem der Erderwärmung anbietet. Welche? Das ist nicht schwer zu … Pi raten.

Die Antwort auf den 11. September

2009-09-11

Wir saßen zusammen im Konferenzraum, alle Entwickler und Berater der Software-Firma, in der ich damals arbeitete, und legten den Rahmen fest für die neue Version unseres Produkts, das nicht alles anders, aber vieles besser machen sollte. Während einer kurzen Pause ging ich rüber ins Büro zu einer guten Freundin, die damals im gleichen Unternehmen arbeitete. Sie schaute auf den Bildschirm und sagte mir, in New York sei ein Flugzeug in eines der Hochhäuser geflogen. Ich dachte zunächst an einen verwirrten oder selbstmörderischen Sportflieger.

Dann sah ich, was passiert war.

Dann war das Internet weg.

Und dann schraubte sich diese Zeile von REM in meinen Kopf:

This is the end of the world as we know it.

Wir arbeiteten weiter, trotzdem. Aber die Zeile blieb stehen, noch tagelang, wie eine Neonreklame, in die man zu lange geschaut hat, wenn man dann die Augen schließt.

Dann kamen die Bilder, abends in den Nachrichten, von den Menschen, die sich in Panik aus den obersten Stockwerken gestürzt hatten und Hunderte Meter tiefer auf dem Asphalt aufschlugen, wie nasse Säcke. Manhattan, nachdem die Türme zusammen gebrochen waren: Es sah aus wie nach einem Atomschlag. Und immer wieder die Videos von den beiden 767, wie sie sich in die Türme bohrten und dann explodierten.

Dann die Angst vor einem Weltkrieg. Die Angst vor weiteren Anschlägen – in jeder großen Stadt, weltweit; ich sah die Menschen in den Großstädten nur noch als „weiche Ziele“. Die „uneingeschränkte Solidarität“ Schröders. Die permanenten Durchsagen, auf herumstehende Gepäckstücke zu achten. Stundenlange Schlangen vor den Check-ins am Flughafen.

Und langsam wurde all das zur Normalität.

Acht Jahre her heute. Ich bin sicher, die meisten erinnern sich noch genau daran, was sie am 11. September 2001 getan, gedacht, gefühlt haben. Es gibt ein Wiki, das unter anderem Erlebnisberichte sammelt – auch von Menschen (wie mir), die weit weg waren vom Geschehen.

Wie hat sich für uns die Welt verändert? Statt selbst einen langen Text zu schreiben, empfehle ich den Artikel „Freiheit statt Terrorismus“ im Blog „Politicool“. Aaron Koenig, Bundesvorstand der Piraten, schreibt dort:

[D]iese Anschläge werden von Regierungen in den USA und Europa als Vorwand missbraucht, um die Freiheitsrechte der Bürger immer weiter einzuschränken. […]

Politiker, die unsere Freiheitsrechte für eine angebliche Sicherheit opfern, mögen lautere Absichten haben – doch tatsächlich spielen sie den Terroristen in die Hände. Die Täter des 11. Septembers hassen die Freiheit und die Demokratie. Sie hassen die Werte der Aufklärung, auf denen unsere freiheitliche Gesellschaft beruht. Wenn unsere Politiker diese Werte jetzt leichfertig aufgeben, haben Osama Bin Laden und seine Gesinnungsgenossen genau das erreicht, was sie wollen.

Besser gesagt, als ich das könnte. Ob totalitäres Taliban-Regime oder totalitärer Überwachungsstaat: Wer die freie Gesellschaft erhalten und stärken will, der muss gegen das Eine wie gegen das Andere kämpfen.

Die Antwort auf den 11. September 2001 kann nur heißen: 12. September 2009. Berlin, Potsdamer Platz, 15:00 Uhr.

Offener Brief zur Vorratsdatenspeicherung (2007)

2009-08-29

In meinen Mail-Archiven gefunden: Ein Offener Brief an alle Bundestagsabgeordneten, den ich am 2007-11-07 (zwei Tage vor der Abstimmung über die Vorratsdatenspeicherung) über http://briefe.gegen.daten.speicherung.eu/ verschickt habe. Geholfen hat es nichts. Aktuell ist der Text heute wie vor zwei Jahren — er müsste freilich noch um eine Reihe zusätzlicher Überwachungs- und Zensurmaßnahmen ergänzt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ab dem 09. November müssen wir Bürger(innen) und Einwohner(innen) der Bundesrepublik Deutschland aufpassen, was wir sagen. Wir müssen aufpassen, was wir lesen. Wir müssen aufpassen, mit wem wir reden.

18 Jahre nach dem Ende des DDR-Regimes ist Deutschland wieder auf dem besten Weg, zum Überwachungsstaat zu werden. Voraussichtlich am 09. November – passenderweise dem Jahrestag des Mauerfalls – entscheiden Sie über das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung. Wenn es beschlossen wird, heißt das: Mit wem wir telefonieren, wie lange und von wo, wann und mit wem wir in eMail-Kontakt stehen oder mit wem wir chatten, welche Mailing-Listen wir beziehen, wann und wie lange wir ins Internet gehen – all diese Informationen müssen die Provider künftig über 6 Monate lückenlos zusammen mit unseren persönlichen Daten speichern und diese Informationen den Behörden auf Verlangen weitergeben. Die Kosten dafür tragen wir selbst, über erheblich höhere Gebühren für Telefon- und Internet-Nutzung, die durch den immensen technischen Aufwand vorhersehbar entstehen.

Angeblich, um uns vor Terroristen und unsere Kinder vor Triebtätern zu schützen. Das ist, mit Verlaub, lächerlich: Wer die kriminelle Energie aufbringt, eine U-Bahn in die Luft zu jagen, wird kaum davor zurückschrecken, einen fremden Rechner zu hacken oder gefälschte Konten im Internet-Café zu benutzen. Drogenhändler arbeiten mit gestohlenen Handys und Wegwerf-Prepaid-Karten, die sie unter falschem Namen anmelden, wenn überhaupt. Und Kinderpornoringe verschieben ihre Ware vermutlich über täglich wechselnde gehackte Server, oft von ahnungslosen Unternehmen oder Universitäten.

Die flächendeckende Telefon- und Online-Überwachung trifft nicht Bombenleger und Schwerkriminelle, sondern die Interessierten und Engagierten, die Ehrlichen und Aufrichtigen, und schließlich auch die technisch Unbedarften, die keine Möglichkeit mehr haben, ihr Privatleben vor den allgegenwärtigen elektronischen Suchscheinwerfern zu schützen.

Angeblich dürfen Kommunikationsdaten nur auf richterlichen Beschluss abgefragt werden. Auch das ist schwer zu glauben. Bei der Einführung der elektronischen Maut wurde versichert, dass die Technik nur zur Abrechnung der Autobahngebühren benutzt würde und nicht, um Bewegungsprofile der Autofahrer zu erstellen. Dieses Versprechen wurde nur kurze Zeit später bereits gebrochen.

Als das Bankgeheimnis in Deutschland eingeschränkt wurde, hieß es, die Maßnahme richte sich gegen Geldwäsche und organisierte Schwerkriminalität. Inzwischen überwachen Jobcenter die Kontenbewegungen von ALG II-Empfängern. Wer von Sozialhilfe leben muss, den behandelt der Staat also wie einen Schwerkriminellen. Wer arm ist, macht sich verdächtig.

(http://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland/Hartz-IV-Kontenabfrage;art122,2342474)

Wer wissenschaftlich arbeitet, macht sich verdächtig. In diesem Land genügt es inzwischen, soziologische Fachbegriffe wie „Gentrifizierung“ zu gebrauchen und einen Bibliotheksausweis zu besitzen, um monatelang mitsamt Partner und Kindern unverhohlen überwacht und schließlich als Terrorist ins Gefängnis gesteckt zu werden.

(http://www.zeit.de/online/2007/44/Militante-Gruppe-Ueberwachung?page=all)

Massive Polizeirazzien im Vorfeld des G-8-Gipfels erwecken auch bei Medienbeobachtern aus der politischen Mitte den Eindruck, bei den Repressalien ginge es weniger um Gefahrenabwehr als um Einschüchterung und Kriminalisierung von politischem Protest.

(http://www.zeit.de/online/2007/20/g8-durchsuchungen?page=all)

Und Ministerpräsident Beckstein fordert medienwirksam, dass Terrorverdächtige „sich nur in einer kleinen, gut zu überwachenden Kommune aufhalten dürfen, es sollte Internet- und Handyverbot gelten“.

(http://www.welt.de/politik/article1160540/Beckstein_fordert_Handyverbot_fuer%20_Topgefaehrder.html)

Wer legt fest, wer als Terrorverdächtiger zu gelten hat? Ist es bloße Hysterie, wenn einem dazu Begriffe wie „Guantánamo“ einfallen? Für solche Einrichtungen, wie sie Herr Beckstein vorschweben, gab es vor rund 70 Jahren in Deutschland ein griffiges Kürzel. Es fing mit K an und hörte mit Z auf.

Diese Beispiele machen vielleicht verständlich, warum die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes nicht mehr darauf vertrauen können, dass die geplanten Überwachungsmaßnahmen tatsächlich und ausschließlich dem Schutz vor Terrorismus und anderen schweren Straftaten dienen. Sie mögen als Abgeordnete(r) in der Debatte und der Abstimmung die ehrlichsten und hehrsten Absichten hegen – ist das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung erst einmal erlassen und werden Kommunikationsdaten massiv gehortet, ist dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.

Zudem ermöglicht das Gesetz zur in Kombination mit der „Cybercrime-Konvention“ (vgl. Drucksache 666/07 des Deutschen Bundesrats, im Internet unter http://www.bundesrat.de/cln_051/nn_8336/SharedDocs/Drucksachen/2007/0601-700/666-07,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/666-07.pdf abzurufen), dass „ausländische Staaten […] ohne rechtsstaatliche Sicherungen, also ohne vorherige richterliche Anordnung […] auf sensibelste Daten über unser Privatleben und unsere sozialen Beziehungen zugreifen“ können, wie der Jurist Patrick Breyer erklärt.

(http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/154/55/lang,de/)

In diesem Fall sind die in Deutschland gültigen Datenschutzbestimmungen obsolet. Ausländische Regierungen, Behörden und Geheimdienste werden sich von den Bedenken eines deutschen Datenschutzbeauftragten kaum beeindrucken lassen. Welche verheerenden Auswirkungen das auf die Sicherheit deutscher Bürger im Ausland, auf die Reisefreiheit und auf die Konkurrenzfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland haben kann, ist leicht vorstellbar.

Nun wird gelegentlich argumentiert, die Vorratsdatenspeicherung sei keine Totalüberwachung der elektronischen und Telefonkommunikation, da ja lediglich Kontakt- und Verbindungsdaten, aber nicht die Inhalte der Kommunikation gespeichert würden. Dies ist aber aus mehreren Gründen nur die halbe Wahrheit:

(1) Bereits die Überwachung aller sozialer Kontakte aller Einwohner des Landes ist ein massiver Eingriff in die Intimsphäre und bietet ein hohes Missbrauchspotenzial.

(2) Es ist technisch leicht und ohne weiteres möglich, die Überwachungsdaten von Clients (Internet-Nutzern) und Servern (Seitenanbietern) zu verknüpfen und so z. B. zu erfahren, welche Personen im Internet zu welchem Zeitpunkt nach welchen Inhalten recherchiert haben.

(3) In vielen Bundesländern ermöglichen die Gesetze zur präventiv-polizeilichen Telekommunikationsüberwachung bereits die vollständige Speicherung und Kontrolle der Inhalte telefonischer und elektronischer Kommunikation ohne konkreten Tatverdacht. Es genügt dabei, „wenn jemand unwissentlich in den Umkreis eines Terrorverdächtigen kommt, sei es als Arbeitskollege oder Sportkamerad, Nachbar oder WG-Mitbewohner“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4ventiv-polizeiliche_Telekommunikations%C3%BCberwachung). Da mit der Vorratsdatenspeicherung jeder soziale Kontakt für die Behörden überprüfbar ist, müssen wir damit rechen, dass Telefon- und eMail-Überwachung massiv ausgeweitet werden. Bereits jetzt ist Deutschland Überwachungsweltmeister. Künftig reicht es im Extremfall, wenn ein Bürger den gleichen Arzt anruft oder das gleiche Diskussionsforum besucht wie ein Verdächtiger, damit ohne sein Wissen jede seiner Äußerungen protokolliert und gespeichert wird.

(4) Jede Überwachungsmaßnahme weckt Begehrlichkeiten nach mehr. Sie wissen selbst am besten, wie Politik funktioniert – Stichwort „Salamitaktik“. Wir können jetzt schon Wetten darauf abschließen, wann Überwachungsbehörden und Sicherheitsexperten die vollständige Speicherung aller Inhalte fordern, mit dem Argument „Unsere Maßnahmen sind wirkungslos, wenn wir zwar wissen, wann wer mit wem gesprochen hat, aber nicht, was dabei gesagt wurde“.

Dabei sollten wir uns nicht der Illusion hingeben, private Kommunikation sei zu uninteressant oder zu umfangreich, um lückenlos überwacht zu werden. Dazu braucht es keine Zigtausende von Polizisten und Geheimdienst-Angestellten. Überwachungssysteme wie Echelon, Suchmaschinen wie Google oder die Spam-Filter der großen Provider zeigen, welche Informationsmengen vollautomatisch bewältigt werden können, wenn die nötige Rechenpower zur Verfügung steht – die ja die Überwachten selbst bezahlen sollen. Die Forschungsgelder, die in das „semantische Web“ gesteckt werden, werden sich schließlich auch auszahlen – mit dem Ziel, bestimmte Inhalte, Themen, Meinungen zu finden, ohne dass dafür nach Schlüsselwörtern gesucht werden muss. Das Ergebnis ist eine Überwachungsdatenbank Orwellschen Ausmaßes, in dem alle sozialen Kontakte, Bewegungsprofile, Tagesabläufe, Meinungen und Interessen aller Bürger gespeichert sind.

Bereits jetzt wirkt die „Schere im Kopf“. Wir wissen, dass viele Internet-Nutzer zögern, einen bestimmten Suchbegriff einzugeben, eine bestimmte Seite anzusurfen oder ihre Meinung in einem Forum zu schreiben. Forenbetreiber beschneiden die Meinungsfreiheit der Teilnehmer aus Angst vor Unterlassungs- und Schadensersatzklagen, die sie in den Ruin treiben können – eine Angst, die seit den Urteilen zur Forenhaftung nicht mehr ganz unbegründet ist.

Wer wird künftig noch Kontakt halten wollen zu entlassenen Strafgefangenen, zu kritischen Journalisten oder engagierten Anwälten? Wer wird noch unbesorgt eine Sozial- oder Suchtberatungsstelle anrufen können, den Kinder- oder Frauennotruf, eine Bürgerinitiative, den Notarzt oder auch nur die Telefonseelsorge, wenn er weiß, dass diese „sozialen Brennpunkte“ sicherlich überwacht werden und bereits die Kontaktaufnahme einen Anfangsverdacht begründet? Wie sollen soziale Einrichtungen künftig noch vertraulich arbeiten können, wenn jede Überwachungsbehörde jederzeit eine komplette „Kundenliste“ abrufen kann?

Wer schützt uns davor, dass Verbrecher unsere Identität stehlen und unter unserem Namen schwere Straftaten begehen? Wie leicht das mit dem neuen elektronischen Pass möglich ist, erläutert Thilo Weichert, der Leiter des Landeszentrums für Datenschutz in Schleswig-Holstein, auf http://www.heise.de/newsticker/meldung/98237. Künftig stünden wir dann nicht nur unter falschem Verdacht, sondern unsere Familien, Freunde, Arbeitskollegen und Geschäftspartner würden sämtlich zum Ziel peinlichster, intimster Ermittlungen – und selbst wenn sich der Verdacht schließlich aufklärt, ist unser soziales und Berufsleben vermutlich auf Dauer zerstört.

Wer kann verhindern, dass wir künftig Selbstauskunft über unser Bewegungs- und Sozialverhalten geben müssen, wenn wir uns um eine Arbeit oder eine Wohnung bewerben, ein Bankkonto eröffnen oder eine Versicherung abschließen wollen? Der Arbeitgeber möchte wissen, mit welchen Menschen wir zu tun haben, ob wir Kontakt zur Konkurrenz haben und wo wir unsere Freizeit verbringen. Der Vermieter interessiert sich für unseren Tagesablauf und unser soziales Umfeld – deuten unsere Telefonate auf einen umfangreichen Freundeskreis hin, auf promiskes Verhalten oder gar auf Homosexualität? Die Bank will erfahren, ob wir sozial Schwache in unserem Bekanntenkreis haben, und für die Versicherung ist interessant, ob wir lange Telefongespräche führen (Hinweis auf persönliche Probleme), ob wir häufig beim Arzt sind oder gar bei Beratungsstellen angerufen haben. Natürlich können wir uns weigern – aber dann bleiben wir arbeits- und wohnungslos. Wer immer wirtschaftlichen Druck auf uns ausübt, kann ungehindert in unserem Privatleben schnüffeln. Die einzige Möglichkeit, das zu verhindern, wäre, das Recht auf Selbstauskunft abzuschaffen – mit dem Effekt, dass wir nicht einmal mehr erfahren dürfen, was alles über uns gespeichert ist.

Die Vorratsdatenspeicherung schafft ein Klima der sozialen Isolation, der Überwachung, des gegenseitigen Misstrauens, der Angst. Würde Erich Mielke noch leben, er müsste frohlocken – dass der „Klassenfeind“ seine Methoden der totalen Überwachung des Soziallebens übernimmt und mit modernsten technischen Mitteln noch verschärft, wäre ihm ein später und zynischer Triumph. Die Vorratsdatenspeicherung macht aus einem souveränen, politisch mündigen Volk ein Volk von potenziellen Straftätern, das unter Dauerverdacht steht, das jedes Gespräch, jede Freundschaft, jeden privaten oder geschäftlichen Kontakt vor den Augen misstrauischer Überwachungsbehörden rechtfertigen muss.

Daher bitte ich sie inständig: Stimmen Sie morgen, am 09. November 2007, gegen das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung. Folgen Sie ihrem Gewissen, nicht der Parteiraison. Setzen Sie ihr Wissen und ihre rhetorischen Fähigkeiten in der Debatte dafür ein, für den Rechtsstaat und den Erhalt der Grundrechte zu werben. Lassen Sie sich von einem Klima der Hysterie und des Generalverdachts nicht dazu verleiten, ein Gesetz mitzutragen, das nur zu noch mehr Hysterie und Verdächtigungen führt. Das vorgebliche Argument, wir müssten unsere Freiheit verteidigen, darf nicht dazu führen, dass die Bürgerrechte so weit durchlöchert werden, bis es schließlich nichts mehr zu verteidigen gibt.

Ich wünsche Ihnen und der Demokratie alles Gute.

Ahmadinejad ist schuld

2009-08-24

Warum ich Pirat bin – die Frage hat man mir in den letzten Wochen etliche Male gestellt. Mal im Gespräch mit Freunden („Was hat dich denn gebissen, dass du plötzlich so politisch bist?“), mal mit einem richtig dicken, fellbehängten ARD-Mikro (und jetzt ohne Vorbereitung und Schminke und ganz spontan in zehn Sekunden was Fernsehgerechtes formulieren, möglichst ohne „Äh“s und mit einer festen, engagierten, aber auf jeden Fall sympathischen Stimme – eine gute Übung …)

Antworten darauf gibt’s eine ganze Menge. Dass unsere Regierung Schritt für Schritt Freiheitsrechte beschneidet und Überwachungsmechanismen installiert, auf die ein Mielke stolz gewesen wäre. Dass Unternehmen dem schlechten Beispiel folgen und ihre Mitarbeiter, Kunden, Besucher auf eine Art bespitzeln und durchleuchten, die „widerwärtig“ zu nennen noch untertrieben wäre. Dass eine Ministerin nur „Kinderporno“ schreien muss, damit Grundrechte, die über Jahrzehnte unantastbar waren, einfach abgeschafft werden, eine Zensur eingeführt wird und das Parlament das Ganze mit überwältigender Mehrheit durchwinkt. Dass die vier Reiter der Infokalypse (Terror, Kinderporno, Drogenhändler, Raubkopierer) als Rechtfertigung noch jeder Gängelung und Bespitzelung herhalten müssen. Dass eine Gruppe im BKA, die nicht demokratisch kontrolliert wird, eine geheime Liste nicht genehmer Seiten erstellt, die ebenfalls nicht demokratisch kontrolliert wird – und wer in die Falle tappt, gegen den kann strafrechtlich ermittelt werden, mit Hausdurchsuchung, Beschlagnahme, Verlust von Arbeitsplatz, Wohnung, Beziehung. Dass die große Koalition, voran Innenminister Schäuble, ein Klima der Angst, Verdächtigung und Rechtsunsicherheit schürt, das die Menschen nicht nur daran hindert, ihre Meinung zu äußern („Lieber nichts sagen, wenn ich meinen Job behalten will“), sondern schon daran, sich überhaupt zu informieren („Lieber nicht klicken, es könnte ja ein Stopp-Schild lauern“).

Dass Politik, wie sie sich heute in Deutschland gebärdet, gar keine erkennbaren Ziele mehr hat oder auch nur breit diskutiert würde – sondern nur noch verwaltet (meist im Interesse der Großkonzerne) und dabei nicht bereit ist, Eigenverantwortung zu übernehmen, sondern sich auf „Befehlsnotstand“ aus Brüssel beruft (ja wer zum Teufel hat denn die ganzen Kommissare nach Brüssel geschickt?). Damit ich recht verstanden werde: Ich bin mit Herz und Hirn Europäer. Aber damit Europa akzeptiert wird, muss es demokratisch funktionieren – und das tut es im Moment einfach nicht. Dass laut über eine Halbierung der Hartz-IV-Sätze nachgedacht wird, gleichzeitig aber die Banken, die ja wohl hauptverantwortlich für die momentane Wirtschaftskrise sind, als Belohnung für Gier und Unfähigkeit über 500 Milliarden an Steuergeldern allein in Deutschland erhalten, und mit diesem Geld fröhlich weiter spekulieren, statt es in die produktive Wirtschaft weiterzuleiten – und die Verträge, die diesen Geldsegen festlegen, vor dem normalen Bürger geheim gehalten werden: Dass in Zukunft anders gewirtschaftet würde, ist unter diesen Bedingungen kaum zu befürchten.

Dass das Internet zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte die Möglichkeit geschaffen hat, alle an Kultur, Bildung und Information teilhaben zu lassen – aber Regierende und Content-Industrie alles tun, um diese digitalen Güter künstlich knapp zu halten und einen Großteil der Nutzer zu kriminalisieren. Dass die digitale Verteilung der Kultur aber einfach nicht mehr gestoppt werden kann, es sei denn um den Preis massiver Überwachung und Einschränkung jedes Bürgers (aber vielleicht ist ja gerade das gewollt, siehe oben).

Dass Demos wenig bewirken und Online-Petitionen (wie das gegen die Internet-Zensur) vom Parlament schlicht ignoriert werden, selbst wenn über 130.000 Bürger unterzeichnen. Dass es deshalb eine Partei wie die Piraten braucht, die die Spielregeln des parlamentarischen Systems nutzt, um dieses System zu verändern – oder besser gesagt, nicht so sehr zu verändern als mehr auf die doch sehr brauchbare grundgesetzliche Grundlage zurückzuführen.

Und dass es in einer noch recht kleinen Partei mit dafür sehr engagierten und überwiegend sehr kompetenten Leuten einfach mehr Spaß macht, politisch zu arbeiten, und mehr Erfolgserlebnisse verschafft, als wenn ich mich z. B. in einen grünen, linken oder sozialdemokratischen Ortsverein setzen würde (die anderen beiden kämen für mich eh nicht in Frage).

Das alles sind gute Gründe, Pirat zu werden. Aber den Anstoß hat mir ein anderer gegeben – nämlich der iranische Schon-wieder-Präsident, Antisemit, Holocaust-Leugner und Atombombenbastler Ahmadinejad – der ja u. a. ganz gern mal mit deutscher Überwachungstechnologie beliefert wird, sozusagen als Crash-Test-Dummy – bzw. die Vorgänge um seine „Wiederwahl“.

In diesen Wochen, als für kurze Zeit die Hoffnung aufkeimte auf einen demokratischen Umschwung im Iran, der weder von den Mullahs noch von der CIA gesteuert würde, sind mir nämlich drei Dinge klar geworden:

  • Was auch in Mitteleuropa möglich ist, wenn es den Herrschenden gelingt, Wahlen und demokratische Entscheidungen unüberprüfbar zu machen. Nicht dass ich Schäuble und Konsorten schon für ausgemachte Demokratiefeinde hielte: Aber welches Scheunentor sie aufmachen mit ihrer allumfassenden Kontrolle der Bürger und den damit einher gehenden Möglichkeiten der Manipulation, werden sie wohl erst begreifen, wenn es für uns alle zu spät ist. Die „Schere im Kopf“ hat dann genau die mundtot gemacht, deren Meinung wir dringend hören müssten.
  • Dass das Internet viel mehr ist als eine Spielwiese für technikverliebte Männer und exhibitionistische Zeitgenossen. Dass es das erste Medium ist, wo weder wirtschaftliche noch politische Macht entscheidend ist (obwohl es hilft), sondern vor allem Inhalt und Glaubwürdigkeit. Und dass genau diese Offenheit geschützt werden muss.
  • Wie wichtig es sein kann, anonym seine Meinung äußern zu können, besonders in Zeiten der Unterdrückung. Wer damit rechnen muss, dass nachts die Basiji die Tür eintreten, möchte vielleicht lieber seinen Namen nicht nennen. Und wer, wie hierzulande, damit rechnen muss, dass all seine Kontakte, Bewegungsprofile, Krankheiten, Kontenbewegungen, angeklickten Websites etc. gespeichert werden, lieber auch nicht – allein schon, um die Menschen zu schützen, die ihm lieb sind.

Also: Danke, Mahmud, alter Folterfreund. Du hast meinen Entschluss beschleunigt. Vielleicht gibt ja es einmal eine Gelegenheit, uns zu revanchieren. Grün ist gar nicht so weit weg von orange. Und das mag schneller gehen, als du denkst.